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9:34 AM
Huhu?
 
Jan
Äh, wie genau meinst du das …? Ich glaube fast, du hast ihn verkehrt verstanden. So wie ich ihn lese, behauptet er ja gerade, dass es keine Liste an Wörtern gibt, die man kennen muss sondern vielmehr, dass er sich verständigen können muss. So à la »Seit ich das Wort ›Dings‹ kenne, kann ich Sachen viel besser beschreiben.«
 
Ja, aber er behauptet, der "akademische" Sprachunterricht würde das nicht verstehen.
Außerdem sagt er, daß die Eingangsfrage (die ja immerhin identisch mit der SE-Frage ist) abgrundtief dumm sei.
Natürlich sagt er auch vieles, was vollkommen richtig ist (daß man nicht alle Wörter können muß, beispielsweise, und daß man sich um lexikalische Lücken herum-umschreiben können muß); stimmt alles, nur unterstellt er, andere würden diese Wahrheiten bestreiten.
 
Jan
Ich stimme ihm allerdings zu: Die Frage »wie viele Wörter muss ich können, um …« ist schlecht, weil sie sich nicht beantworten lässt. Man kann zwar anfangen bei sehr häufigen Wörtern, die syntaktische Informationen erfüllen, wie der, die, das, wer, was, und, oder, auch, ich, du, er, sie, es, wir, ihr, mein, dein, … und dann irgendwo eine Grenze ziehen. Tatsache ist, dass diese Grenze doch nur willkürlich ist; gegebenenfalls gibt es Wörter, die man in einem Gesprächskreis können muss, …
… in anderen nicht. Wenn ich keine koffeinhaltigen Heißgetränke trinke, muss ich nicht unbedingt wissen, was Milch und Zucker sind, respektive wie sich Milch von Kaffeesahne oder Kondensmilch unterscheidet, weil ich sie eh nicht brauche, um ein stark vereinfachtes Beispiel zu nennen.
 
9:51 AM
Natürlich ist die genaue Grenze willkürlich. Typischerweise setzt man für einen Grundwortschatz eine Textabdeckung von 85% an. Man könnte auch 83% oder 86% nehmen.
 
Jan
Und was ist Textabdeckung? Um welche Texte geht es und warum?
 
Was er aber schon nicht zu verstehen scheint, ist, daß x% Abdeckung nicht dasselbe ist wie x% aller Wörter.
Welche Texte: normalerweise "was in einer Zeitung stehen könnte".
 
Jan
Ich glaube, dass dieser eine Satz über 96 % spanischer Wörter eher dazu dient, zu veranschaulichen, dass 96 % Testergebnis nicht heißt, dass man zu 96 % wie ein Muttersprachler spricht.
 
"I got a very good grade in the oral component (96% in Spanish ...), and yet ... it’s unlikely that I know 96% of all Spanish words." Klingt für mich nicht so.
 
Jan
@chirlu Da gehts schon wieder weiter. Zeit, Welt, taz, Bild, Weilheimer Tagblatt, Hamburger Abendblatt, Kicker? Gerade für die letztere braucht man ein deutlich anderes Vokabular als für die ersten. Was wiederum heißt, dass 85 % der einen Zeitung zwar für eine Sorte ausreichen, aber nicht unbedingt für einen anderen Text.
@chirlu Hä, wieso nicht?
 
10:01 AM
Zur Abdeckung noch, gemeint ist, welchen Anteil von Wörtern in einem Text man kennt, einschließlich Wiederholungen. Mit Artikeln und Konjunktionen kommt man da schon auf ein paar Prozent, und mit einer niedrigen vierstelligen Zahl auf 85%, weil die Wörter sehr unterschiedlich häufig sind. Danach kann man immer noch nur 1% der Stichwörter in einem mittleren Wörterbuch.
 
Jan
»I’ve sat three high level European examinations, where I got a very good grade in the oral component (96% in Spanish […] C2), and yet […] it’s unlikely that I know 96% of all Spanish words.« – Ich habe an drei Prüfungen europäischer Sprachen teilgenommen, wo ich (jeweils) eine gute Note im mündlichen Teil gehabt habe, und trotzdem ist es unwahrscheinlich dass ich 96 % aller spanischen Wörter kann« – im Zusammenhang mit dem Absatz davor, wo er gerade meint, dass es ja nicht um das direkte …
 
Der Unterschied zwischen den Zeitungen ist auch nicht so groß, wie man vielleicht denkt, selbst beim Kicker vermutlich nicht.
 
Jan
… Übersetzen einzelner Wörter geht, und mit dem Absatz danach, wo er schreibt, worauf diese Tests Wert legen, kann ich das schon gar nicht mehr so verstehen, als behaupte er, 100 % hieße 100 % Wortkenntnis.
 
Warum nennt er dann genau die 96%, die das Testergebnis waren?
 
Jan
Gerade zur Verdeutlichung ,dass die beiden nichts miteinander zu tun haben?
 
10:07 AM
Na eben, das müßte er ja nicht verdeutlichen, wenn sein Popanz es nicht vermeintlich dächte.
 
Jan
Aber es denken ja Leute man müsse x Wörter wissen (oder r = x : g, wobei g = Gesamtzahl der Wörter der Sprache; mit r variierend von 0,85 bis 1) um eine bestimmte Kenntnis einer Sprache zu haben, während seine These ist, welches r man hat, sei völlig irrelevant, solange man sich mit seinem r verständigen kann, und verstehen kann.
(Ich bin mal Mittag machen …)
 
Wer denkt das denn? Nur sein Popanz. Tatsächlich ist r eher im Bereich <0,001, abhängig vor allem davon, was man für g ansetzt.
(Ich bin dann auch mal weg, aber für ein paar Stunden mehr.)
 
 
1 hour later…
Jan
11:20 AM
Alle, die fragen »Wie viele Wörter muss ich können, um …?«
 
 
3 hours later…
Jan
2:00 PM
Okay, ich habe mir jetzt in Ruhe nochmal den Blogbeitrag durchgelesen. Ich verstehe ihn folgendermaßen:
 
Jan
2:12 PM
Er stellt erst fest, dass es Leute gibt, die ihn fragen, wie viele Wörter man denn in einer Sprache können müsse, um sie flüssig zu sprechen, stellt daraufhin die These auf, dass die Frage schlecht, weil falsch gestellt ist, und versucht die dann zu begründen. Erstes Argument ist, dass »Wort« nicht unbedingt klar definiert ist (das ist im Deutschen schlimmer als im Englischen wegen der Komposita; er bringt nur dog vs dogs), und das Wörter unterschiedlich wichtig sind
(vergleiche »rot« mit »Einkommensteuererklärung«) – ich denke, soweit dürften wir uns auf jeden Fall einig sein.
Er redet weiter über den berühmt-berüchtigten *Chinese Menu Test* – weil chinesische Speisekarten wohl so blumig seien, um das Argument zu begründen »Wenn ich in der natürlichen Umgebung einer Sprache bin, habe ich beides: Kontext wie auch jemanden, den ich fragen kann.« und geht dann weiter darauf ein, warum reden so viel wichtiger als jedes-Wort-im-Blauen-können ist.
Einwand »Aber du willst doch den C1-Level bestehen, dann musst du doch eine bestimmte Zahl an Wörtern können?« – Nein, weil es bei diesen Tests nie darum gehe, dass man bestimmte Wörter vorgesetzt bekommt, und die übersetzen soll; vielmehr bekäme man ein Thema, über das man reden soll, und bewertet werde die Flüssigkeit der eigenen Sprache in Kategorien wie Mangel an Nachdenken, wie gut man mit Ührasen umgeht, etc.
Ich gebe ja zu, dass er einen Satz am Schluss schreibt »Academics will be big crybabies about this because having a life is not something that you can test for.«, über den man trefflich streiten kann (insbesondere, da er weiter oben sagt, dass er die Testmethoden der Cervantes- und Goethe-Institute gut findet), aber man könnte sich so herausreden, dass er »Akademiker« im Sinne von »Mathematiker, die etwas quantifizieren wollen« verstanden haben will.
Jetzt habe ich mir auch nochmal deine Kommentar-Kritikpunkte durchgelesen. »Ebenso testen die als "akademisch" abqualifizierten Prüfungen mit voller Absicht nicht die Kenntnis einzelner Wörter (weiß er, was und bedeutet?), sondern das Verständnis bzw. die Kommunikationsfähigkeit« – genau der Punkt, den er auch macht, und für den er GI und IC lobt.
Es sind nicht die Akademiker, die die Tests konzipieren, denen er die Frage zuspricht, sondern Menschen aus dem Internet, die kommentieren/ihn anschreiben mit der Frage (oder die eben auf GLU.SX die Frage stellen). In dem Sinne vermute ich noch mehr, dass du den Blog falsch verstanden hast, und wir eigentlich dasselbe meinen.
@chirlu und sorry für die Wall-of-Text.
(Dass er mit 96 % Testergebnis 96 % der spanischen Wörter könne, behauptet tatsächlich niemand, und im Gesamtkontext des Artikels bleibe ich dabei, dass er das übertrieben-metaphorisch geschrieben hat, um eben klarzustellen, dass die Zahl der Wörter, die man kann, wenig relevant ist, solange man die richtigen kann.)
 

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